"Bund der Deutschen in Böhmen, e.V.", Sitz: Netschetin / Nečtiny in Tschechien ist ein Verein der deutschen Minderheit in Westböhmen.

Vereinszweck:

  • Erhalt der deutschen Sprache und des „Egerländer Kulturerbes“
  • Schutz der Interessen der deutschen Minderheit
  • Völkerverständigung, insbesonders zwischen GER und CZE

Wenn nicht nur eine tektonische Einheit die Völker verbindet

(Eröffnung des Museums in Fleißen am 1. Dezember 2022)

Nur zwei Kilometer östlich von der vogtländischen Stadt Bad Brambach liegt auf der böhmischen Seite die Stadt Fleißen. Diese Stadt, wo bis 1945 die Deutschen in bedeutender Mehrzahl lebten, wurde durch die Vertreibung der Deutschen und später Liquidierung der Textilindustrie schwer getroffen. Die jüngere Generation in der Stadtführung und die Offenheit zum Zusammenleben in Europa lässt diese Stadt wieder aufblühen. Der Beweis dafür ist das Projekt „Bayerisch-böhmische Ausstellungen zur Kriegs- und Nachkriegsgeschichte und zur gemeinsamen geologischen Vergangenheit“, welches ein Museum in der ehemaligen größten Textilfabrik Johann Lehrmann entstand. Am 1. Dezember 2022 wurde die sehr umfangreiche Exposition im Wert von 85 Millionen Kronen feierlich eröffnet.

Nach dem Egerländer Volkslied „Asm Eghalånd bin i(ch,“ vorgetragen von dem Duo „Målaboum“ (Vater Richard Šulko, Gesang und Sohn Vojtěch, Zither), welches die Ausstellungseröffnung musikalisch begleiteten, begrüßte die Anwesenden der deutschstämmige Bürgermeister Per Schaller. Er fasste kurz die lange Geschichte des Entstehens des Museums zusammen. Das Ausstellungskonzept wurde durch den Autor Viktor Braunreiter vorgestellt. Er begann mit dem Gedicht „Ein Stück Heimat“ und erklärte, dass er sich vom Roman „Simplicius Simplicissimus“, Hauptwerk von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, inspirieren ließ. Am Beispiel der Familie Päsold zeigte er den jahrhundertelangen Weg der Menschen in und um Fleißen.

Eine der Partnerstädte von Fleißen ist Erbendorf. Diese Gemeinde ist sogar geologisch mit Fleißen mit einer sog. „Erbendorflinie“ verbunden. Der Erste Bürgermeister von Erbendorf, Johannes Reger überbrachte auch die Grüße der Stadt. Mit ihm kam der langjährige Erste Bürgermeister der Stadt Hans Donko, welcher bis 2020 regierte. Und es war Donko, welcher gemeinsam mit Schaller das Projekt im Jahre 2018 gestartet hatte. An der deutschen Seite entsteht nämlich das zweite „Partner-Museum,“ welches eine „Dokumentations- und Gedenkstätte Flucht und Vertreibung“ darstellt. Die Hauptthemen sind: die Zeit des Dritten Reichs in Erbendorf und Umgebung, Flucht und Vertreibung von Deutschen, und deren Integration in ihrer neuen Heimat.

Idee „von untern…“

Der nächste Sprecher war die Direktorin des Deutsch-tschechischen Zukunftsfonds, Frau Petra Ernstberger. Sie fasste kurz alle die Aktivitäten und Projekte des Fonds zusammen, welcher nicht nur der Völkerverständigung zwischen den Deutschen und Tschechen dient, sondern auch das gemeinsame Kulturgut rettet. Für das Projekt in Fleißen fand Ernstberger besondere Lobesworte: „Wissen sie, dieses Projekt ist so richtig ´von unten´ gekommen, was mich am meisten freut. Und man kann es heute auch so richtig spüren…“ Aus dem „Sudetendeutschen Museum“ in München kam Raimund Paleczek, Vorsitzender des „Sudetendeutschen Instituts“. Aus diesem Museum sind nämlich auch einige Exponate nach Fleißen ausgeliehen worden. Als ein ganz besonderer Gast kam nach Fleißen der Vorsitzende der Gemeindevertretung Herr Joachim Bohl aus Eichenzell. Nach Eichenzell kamen nämlich 1946 um 500 Vertriebene Deutsche aus Fleißen. Mit dabei war damals auch der zehnjährige Adolf Penzel. Penzel hat sich über 30 Jahre ehrenamtlich für die Egerländer und für die Gemeinde Eichenzell engagiert. Sein ganzes Leben setzte er sich für das kulturelle Erbe der Egerländer und für die Aussöhnung ein. Es war auch sein Verdienst, dass am 16. November 2012 die Partnerschaftsurkunde zwischen Fließen und Eichenzell unterschrieben wurde. Schade, dass Adolf Penzel nicht mehr diesen Tag erleben konnte, weil er am 29. November 2021 starb.

Interaktiv und groß….

Noch vor der Führung durch die Ausstellung folgte noch eine Präsentation des „Gedächtnis des Volkes“ vom Verein „Post Bellum.“ Der Direktor der Karlsbader Niederlassung, Lukáš Květoň erklärte das Projekt, in dem Zeitzeugen über ihre Schicksale in der Weltgeschichte auf ihrem eigenen Leib erzählen. Danach kam der Inhaber der Firma „Elroz Invest“ in Fleißen, Filip Dušek, welcher die Geschichte des Gebäudes der einmal zweitgrößten Textilfirma in Fleißen, nämlich Adolf Päsold erklärte. Er benutzte den schönen Begriff „Das Gedächtnis eines Platzes.“ Diese Familie erlebte an ihrem eigenen Leibe, wie die Weltgeschehnisse das Schicksal ändern können. Eric Walter Päsold hatte in Langley bei London sein Textilgeschäft nach langen Bemühungen eröffnet und war ein erfolgreicher Lieferant z.B. von Marks & Spencer und Woolworth. Es kam der Zweite Weltkrieg und Päsold musste in die Britische Armee einrücken und gegen seinen Bruder in der Wehrmacht kämpfen.  Nach dem Krieg bekamen Erich und sein Bruder Rolf Päsold das Recht ihr Vorkriegseigentum zurückzubekommen, die Firmenanteile von Ingo Päsold und Sylvie Nebel wurden jedoch konfisziert. Im Jahre 1948 beim kommunistischen Umsturz wurde jedoch die Firma enteignet.

Pack deinen Koffer!

Nach den Grußworten und dem Vortrag folgte die Führung durch die Dauerexposition. Die ist sehr interaktiv und mit Liebe zum Detail gemacht. Neben dem persönlichen Zeugnis vom Adolf Penzel, welcher mit einem Video die ganze Ausstellung begleitet, kann man nachgespielte Szenen im weiteren Video sehen, die die Ereignisse 1938, sowie die Vertreibung 1945-46 zeigen. Man wird wirklich einbezogen in die Geschehnisse und es läuft einem der kalte Schweiß über den Rücken. Ein wichtiger Teil wird der Geologie gewidmet. Die Animation im Keller des Museums, wo die Erdplatten-Bewegungen auf einer breiten Leinwand dargestellt werden, ist wirklich sehenswert und auch für die kleinen Besucher interessant. Neben den den Industrien und dem zweiten Weltkrieg gewidmeten Ausstellungsabteilungen sind wohl am interessantesten die Teile mit der Vertreibung und mit dem Volkstum. Die in tatsächlicher Größe aufgeführte Szene mit der „Verladung“ der Deutschen in einen Viehwagon ist schmerzhaft und wenn man versucht, den 20 kg schweren Vertreibungskoffer zu packen, stellt man fest, dass man eigentlich nichts Wertvolles mitnehmen dürfte. Schrecklich. In der Abteilung, wo das Vereinsleben und das Volkstum gezeigt werden, hat sich auch der „Bund der Deutschen in Böhmen,“ also der Egerländer Verein in der deutschen Minderheit mit einem Film beteiligt. Ab etwa April 2023 soll dieses monumentale Museum, welches sehr gut die Museen in Aussig und München ergänzt, für die breite Öffentlichkeit geöffnet werden. Hut ab vor dem Petr Schaller! Vagelt´s Gott!

Richard Šulko