"Bund der Deutschen in Böhmen, e.V.", Sitz: Netschetin / Nečtiny in Tschechien ist ein Verein der deutschen Minderheit in Westböhmen.

Vereinszweck:

  • Erhalt der deutschen Sprache und des „Egerländer Kulturerbes“
  • Schutz der Interessen der deutschen Minderheit
  • Völkerverständigung, insbesonders zwischen GER und CZE

Das Betthupferl

46. Mundartseminar in Bad Kissingen 3.- 5. März 2023
vom Måla Richard (Šulko)

Zur dem 46. Seminar mit dem Thema „Sudetendeutsche Mundarten“ lud der „Freundeskreis Sudetendeutscher Mundarten,“ mit der Unterstützung der „Sudetendeutschen Landsmannschaft“ ein. Unter dem Thema „Heimat im Ohr: Märchen und Sagen“ kamen mehr als 30 Interessierte nach Bad Kissingen. Leider konnten zu diesem wichtigen Thema keine Zuwendungsmittel aufgebracht werden. Das ist sehr schade, weil die Mundart ein wichtiger Teil der Identität der Sudetendeutschen ist und zwar auf beiden Seiten der Grenze!

Die Begrüßung am Freitagnachmittag übernahm die Vorsitzende des Freundeskreises Ingrid Deistler. Sie las am Anfang ein Gedicht von Erika Neumann vor. Es folgte das Totengedenken mit dem Gedicht „Schreib in den Sand“ von Rosi Feiereisl aus Wildstein. Die Heimatpflegerin der Sudetendeutschen Christina Meinusch stellte dann das Programm vor. Sie stammt aus Lohr am Main, aus welchem nachweislich das Schneewittchen kommt. Das hat man aber erst 1980 offiziell erfahren. Wie war die Begründung? Z. B. wurden die bekannten Spiegel dort hergestellt. Im Jahre 1730 herrschte in Lohr Freiherr Philip Christoph von Erthal. 1741 heiratete er zum zweiten Mal. Er hatte sieben Kinder, darunter eine blinde Tochter. Die neue Stiefmutter war gerade gegenüber dem blinden Kind sehr böse. Den gefährlichen Wald spielt in dem Märchen der Spessart mit seinen Wildschweinen. Die Zwerge kommen aus dem Bergbau, wo man kleine Menschen brauchte. Bergbau war in Lohr auch vorhanden. Die glühenden Schuhe des Schneewittchens nehmen Bezug auf die Eisengießerei, die in Lohr ansässig war. Auch für den berühmten Apfel gibt es eine Erklärung: um Lohr herum gibt es sehr gute Äpfel und bis heute gibt es dort ein sog. „Rambourfest“ im Herbst, benannt nach einer Apfelsorte.

 

Hausaufgaben…

Nach der Vorstellungsrunde wurde es spannend: die Hausaufgaben wurden „kontrolliert“. Die Hausaufgabe bestand darin, eine Geschichte fürs „Betthupferl“ zu schreiben. Als erster trug seine Geschichte der Måla Richard vor: „Dian Zauwabaam.“ Ingrid Deistler fuhr in Egerländer Mundart fort: „Dolfi und der kleine Zwerg.“ Monika Hanika aus dem Isergebirge brachte die Geschichte „Die junge Eiche“ mit nach Bad Kissingen. Ilse Schuster erzählte eine wahre Geschichte über die Puppe „Gauni.“ Lorenz Loserths Betthupferl hieß „Feiges Huhn“. Nach den Vorträgen wurde noch lange diskutiert und in Mundart wurden auch andere Geschichten erzählt. Samstagsfrüh startete das Programm mit dem Vortrag von Dr. Richard Rothenhagen aus dem Isergebirge über die Märchen und Sagen in der Mundart. Am Anfang erklärte er: „Die Märchen und Sagen kamen im ´Atlas der deutschen Mundarten in Tschechien´ nicht vor. Einige Bräuche und Sitten konnte ich aber aufschreiben.“ Er stellte einige Sagen vor, welche die geschichtlichen Gegebenheiten widerspiegeln, wie z. B. die Pest, oder Kriege. Auch wurden sehr oft in den Sagen tägliche Gegenstände behandelt.

 

Meschen zum Stein geworden….

Die wohl gruseligste Geschichte kam aus Elbogen: Ein Burgherr war sehr grausam und für nur ein kleines Verbrechen hatte er die Menschen in den heißen Karlsbader Sprudel eintauchen lassen, bis sie versteinerten. Der Burggraf erlitt dann aber ein ähnliches Schicksal: der Graf ist vom Pferd gefallen und zwar direkt in den Sprudel und ist auch versteinert. Rothenhagen fuhr dann weiter: „Im Schönhengst gab es 130 deutsche Dörfer mit sieben verschiedenen Mundarten. Dort spielte das Wasser sehr oft in den Sagen eine Rolle. Auch die Mühlen kamen in den Sagen vor: Ein altes, hungriges Mütterlein bettelte bei einem reichen Müller, der hielt aber seine Hand zu. Als das Weib zu der Quelle kam, schimpfte es über die Erbarmungslosigkeit des Müllers und das Wasser hörte auf zu laufen. Der Müller wurde ruiniert.“


Wenn man (fast) kein Wort versteht…

Roman Klinger aus Nixdorf, ein „verbliebener“ Deutscher aus dem Schluckenauer Zipfel, war der zweite Vortragende an dem Samstagvormittag: „Deutsche Mundart im Schluckenauer Zipfel“ war sein Thema, welches er von der praktischen Seite her bearbeitete. Klinger nahm drei Frauen aus dem Schluckenauer Zipfel auf, die über die Bräuche in ihren Mundarten erzählten. Edeltraud Richter erzählte in der ersten Geschichte übers Wallfahren. Ich selber erkannte nur das Wort „Segen“ in ihrer Erzählung. Ansonsten war das für mich eine Fremdsprache. Des Weiteren wurde ein Film mit Ingrid Hampel gezeigt, in dem „Klekslkuchn“ gebacken wurde. In seinem zweiten Vortrag, vor dem Mittagessen, behandelte Dr. Richard Rothenhagen zuerst das Kuhländchen. Der Name soll von der erfolgreichen Viehzucht im Kuhländchen kommen, die mit einer Auszeichnung sogar auf einer Wiener Ausstellung gekrönt war. „Butter Hiewel“ war die Sage aus dem Kuhländchen. Bei heißer Sonne fuhr ein Wagen mit Brot und Butter beladen. Es war sehr warm an diesem Tag. Die Pferde waren schon müde und wollten nicht mehr ziehen. Der Knecht jagte aber die Pferde weiter. Dann nahm er Brot und legte es vor den Wagen, damit der Wagen besser rutschen kann: auf einmal krachte es, der Himmel ist aufgegangen und der Knecht mit dem Wagen ist verschwunden. An der Stelle schoss dann eine Blume aus der Erde. Es erklang eine Stimme vom Himmel: „Jeder kommt in die Hölle, der die himmlischen Gaben verdirbt!“


Der Bergkönig und mehr.

Der Bergkönig spielte bei den Bergleuten eine große Rolle: Es war ein kleiner Zwerg, der sich im Bergwerk blicken lässt. Wenn er sich aber draußen zeigte, kam es in der Grube immer zum Unglück. Eine schöne Geschichte kommt vom Heidebrünnl im Altvatergebirge: Ein Jäger war krank und schwach und konnte fast nicht mehr gehen. Ärzte konnten ihm nicht helfen. Er stieg hoch auf die Heide und nahm seine Flinte mit. Als er oben ankam, musste er sich erschöpft niedersetzten und schlief ein. Im Traum sah er eine Quelle, die aus dem Felsboden herauskam. Bei ihr standen eine weiße Gestalt und ein Hirsch. Die Gestalt sagte zum Jäger: „Hier ist die Quelle des Lebens. Schieß auf den Hirsch, der zeigt dir den Weg.“ Der Jäger wollte schon loslegen aber es ertönte ein Getöse. Er wurde wach und was sah er da? Neben ihm stand ein großer Hirsch. Er schoss ihn an. Als der Hirsch nicht weit weg von ihm tot umfiel, fand der Jäger an diese Stelle eine Quelle. Dann bewegte sich der Hirsch, er trank aus der Quelle und wurde geheilt. Er lief wieder voll gesund weg. Der Jäger verstand auf einmal, was ihm die Gestalt im Traum sagen wollte. Er trank dann selber aus dieser Quelle und wurde wieder vollkommen gesund.


Schweden in Brünn…

Schweden belagerten eine längere Zeit Brünn und in der Stadt war nichts mehr zum Essen. Für die Schweden dauerte es aber auch schon zu lange: zwei Monate ließen sie keinen hinein und hinaus, konnten die Stadt aber nicht einnehmen. Der General sagte dann an einem Tag: „Wenn bis zu Mittag die Stadt von uns nicht besetzt wird, ziehen wir ab.“ Die Brünner haben das erfahren und haben eine Stunde früher geläutet. Da zogen die Schweden dann wirklich ab. Seit dieser Zeit läuten die Mittagsglocken in Brünn immer um elf Uhr und nicht um zwölf. Nach dem Mittagessen wurde es online: Frau Dr. Monika Fritz-Scheuplein von der Universität Würzburg hielt den Vortrag: „Sandhasen, Mainscheißer und Zwiebeltreter- Ortsnecknamen in Unterfranken.“ Die Ortsnecknamen kommen vor allem in der Mundart vor. „Rakotzybrunzer“ oder „Windbeutel“ sind z. B. die Ortsnecknamen für die Bewohner von Bad Kissingen. In Unterfranken gab es 182 Orte, wo Erhebungen gemacht worden sind. Motive der Necknamen waren: eine Sage, Anekdote oder eine geschichtliche Begebenheit. Als Quellen wurden dazu benutzt: Forschungsprojekte, Aufnahmeformulare, Bücher, Seminare, Webseiten, Zeitungen/Zeitschriften, Kulturschaffende, Laienforscher und Privatpersonen. Sehr oft kommen die Ortsnecknamen heute in Form Skulpturen auf den Brunnen vor. Im Egerland sind mir folgende Ortsnecknamen bekannt: Chiech- Tschiesch, Saaz- Gurkenlatscher. Die Gnodstädter wurden z. B. „Katzenfresser“ genannt, denn bei einer Jagd wurde nur eine Katze gefangen die dann aufgegessen wurde. Motive sind auch in Sprachbesonderheiten, Bodenbeschaffenheit o. Ä. zu finden. Die Haßfurter werden als „Milchsupper“ bezeichnet, weil ihre Gesichter blass waren. Die Bezeichnung „Kröpfe“ kam aus der Tatsache heraus, dass in der Umgebung zu wenig Jod im Wasser war und die Menschen Kröpfe bekamen. Das war z. B. in der Rhön der Fall. Die „Gekröpften“ nannte man auch z. B. die Höritzer im Böhmerwald. In der Faschingszeit werden sehr oft noch heute die Necknamen benutzt.


Memory und der Waldgang…

Lorenz Loserth leitete den Workshop „Mundart-Memory.“ Am Anfang erklärte Loserth die Spielregeln und den Vorgang, wie man arbeiten soll. In der ersten Runde hatte jeder Teilnehmer zwei Begriffe aufs Papier gebracht und Jeder musste dann in seiner Mundart den Begriff übersetzten. Weiterhin wurde ein „Mundart-Memory“ hergestellt, in welchem dann eine Zweisprachigkeit zu sehen war: Begriffe in Deutsch und in der jeweiligen Mundart. Eine tolle Idee vom Lorenz. Sonntagfrüh gehörte einem neuen Programmpunkt bei der Mundarttagung: Ein Spaziergang durch den nahe gelegen Wald. Ingrid Deistler bereitete Infotafeln auf dem Waldweg vor und es konnte das „Mundartspazieren“ losgehen. Es war schon interessant, wenn man sich über die Baumarten, Pflanzenarten oder Tierarten in verschiedenen sudetendeutschen Mundarten unterhielt. Nach dem Spaziergang an der kalten, frischen Luft versammelten sich alle Teilnehmer wieder im Versammlungsraum, wo das Seminar ausgewertet und die Hausaufgabe besprochen wurde. Als „Gewinner,“ für das Thema der Hausarbeit für 2024 wurde „Heimat und ihre Besonderheiten“ erklärt.