Egerländer aus Puhoi in Neuseeland in Rawetz“
(50. AEK- Begegnung, Marktredwitz, 18.- 19. Oktober 2025)
Richard Šulko
Der „Arbeitskreis Egerländer Kulturschaffende (AEK)“ lud zu seiner Jubiläumsbegegnung nach Marktredwitz ein: es sind 50 Jahre her, als der AEK im Jahre 1975 gegründet wurde. Aus diesem Anlass ließ sich der AEK-Vorstand etwas ganz Besonderes einfallen: „Die Nachkommen der Egerländer aus Staab und Umgebung, die nach 1893 nach Neuseeland zogen und immer noch das Egerländer Kulturgut pflegen, sollen kommen!“ Und es geschah, wie geplant…
Kurz nach zehn Uhr am Samstagvormittag starteten die Grußworte: Vorsitzender des AEKs, Oswin Dotzauer begrüßte die Anwesenden und eröffnete die Begegnung. Es folgte das Totengedenken. Weitere Grußworte sprachen: Mons. Karl Wuchterl, Bürgermeisterin Christine Eisa aus Marktredwitz und Måla Richard Šulko vom Bund der Deutschen in Böhmen. Anwesend waren etwa 65 Leute, was eine Rekordzahl darstellte. Anwesend waren auch der Bundesvüartsäiha(r vom „Bund der Eghalanda Gmoin,“ Helmut Kindl und Volker Dittmar, Leiter des Egerland- Museums.
Nach den Grußworten startete das Programm mit dem Vortrag: „50 Jahre AEK ein kurzer Rückblick von Albert Reich.“ Referentin Regina Thalheimer aus Stuttgart ist die Tochter vom Albert Reich, welcher der Mitbegründer vom AEK war. Thalheimer präsentierte ein Interview mit ihm und ergänzte es noch mit zusätzlichen Kommentaren aus dem Gespräch. Reich erwähnte auch Adolf Horner aus Falkenau und Franz Metzner aus Wischerau b. Pilsen. Beim Treffen der Egerländer schon in den 40. Jahren wurde beschlossen: „Man solle mehr als nur das Volkstum der Egerländer präsentieren!“ Z. B. viele Mitglieder der EG z Heidelberg waren Professoren der UNI Heidelberg.
Da „Huasnodoudara….“
Referent Werner Pöllmann referierte über das „Sudetenland.“ Zuerst erklärte Pöllmann den ursprünglichen Namen „Sudeten.“ Die Autobahn im Altvatergebirge wird noch heute die Sudetenautobahn genannt. 1848, noch in der k. u. k. Zeit, trat der Begriff „Sudetenstamm“ auf. Auch im Frankfurter Parlament kam dieser Begriff zu Wort. 1904 kam eine Emanzipation der deutschen Bewohner in Böhmen. Interessant: ein Teil der Pyrenäen heißt auch „Sudeten.“ Nach 1918 bildeten die Sudetendeutsche eine „Volksgemeinschaft,“ später dann eine „Schicksalgemeinschaft.“ In den 30er-Jahren bekam das Wort „Sudetendeutsch“ einen schlechten Ruf und einige Deutsche nannten sich dann „Deutschböhmen“, wie z. B. Peter Glotz.
Referent Štĕpán Karel Ostrčil aus dem Egerer Museum hielt den Vortrag zum Thema „Der Huasnoudoudara.“ Eine gleichnamige Ausstellung wird am 20. November im Egerer Museum eröffnet. Ostrčil erwähnte, dass sich viele Tschechen immer mehr für die Kultur der Egerländer interessieren. Bei den Forschungsarbeiten sagte z. B. Dr. Jaromir Boháč: „Wie können die Knöpfe an die Hosen angebracht werden, wenn da keine Löcher sind?“ Hans Nikolaus Kraus war ein Schriftsteller, welcher 1925 den Knopf beschrieb. Noch früher, im Jahre 1887, beschrieb Ludwig Hevesi (1843-1910, ein ungarisch-österreichischer Schriftsteller, Journalist und bedeutendster Kunstkritiker seiner Zeit) im Artikel „Auf der Badereise:“ „Die Sache stand nämlich so: vor so und so wenigen Jahrzehnten, als die Landsleute des Egerlandes ihre Nationaltracht nicht ins Egerer Museum eingeliefert hatten, bestand der Hauptschmuck derselben in den drei Knöpfen der Hose, so in der Magengegend die drei Zipfel des Hosenträgers zu fassen hatten. […] Immer waren sie aus gelbem Messing gearbeitet, welches die reicheren Bauern alle drei oder vier Jahre einmal frisch vergolden ließen.“
Ernst Mosch…
Nach der Mittagspause folgte der Vortrag vom Wolfgang Jendsch (Radolfzell) „100 Jahre Ernst Mosch,“ Vorgetragen vom BVo. Helmut Kindl. In seinem Vortrag wurden nicht die allgemeinen Daten gezeigt, sondern mehr die Sachen, die nicht bekannt sind. Moschs Vater war Bergmann. Er wurde schwer verletzt in dem Zwodauer Bergwerk und hatte dann in Falkenau ein kleines Lebensmittelgeschäft. Mosch übers Militär: „Ein guter Soldat war ich nie, in Deutsch- Eylau erlebte ich die schwierigste Zeit.“ Posaune und Jazz: das war eigentlich Ernst Mosch. Mosch wollte einfach nur gute Musik machen. Was war das Wahre am Ernst Mosch? Sein Ziel: musikalische Perfektion, die Musik muss mind. 150% gut sein. Der „Mosch´sche Führungsstil:“ „Ich schenke keinem einen Takt. Ich will es genau, Ganz genau!“ „Meine Herr´n, net schlafen, schlafen tun mer im Bett!“ „Knochenhart will ich des!“
Was war einzigartig an seiner Musik: die klassische böhmische Musik im modernen Klang zu bringen. Jendsch: „Mosch hat sich nie politisch geäußert, aber ich denke, dass er mit seiner Musik Brücken schlug.“ 1000 Konzerte in 52 Staaten, auch in der Carnegie Hall in New York. 1966. Ausverkauft. Das ist keinem deutschen Musiker gelungen. 40 Mil. Tonträger verkauft. Das war Ernst Mosch!
ES-KA in Eger….
Noch vor der Kaffeepause folgte der Vortrag von Ingrid Deistler aus Nürnberg: „Die Fahrrad- und Motorradwerke Es-Ka in Eger.“ Deistler erklärte am Anfang die technischen Daten zur Herstellung von Stahlrohren. Im weiteren Verlauf erklärte sie die Schließung 1913 des Werkes Premier in Nürnberg und die Verlagerung der Produktion nach Eger, welches mit 110 Tsd. Fahrrädern Im Jahre 1917 die Nummer eins war, aber meistens wurden Fahrräder an die Großhändler verkauft. Die aus der Firma Premier gegründete Firma ES-KA hatte zwei Gründer: die Herren Kastrup und Swetlik. Daraus entstand auch der Name. ES-KA wurde zum größten Fahrradhersteller in Böhmen: mit 500 Mitarbeitern stellten sie 100 Tausend Fahrräder im Jahr her. Nach dem zweiten Weltkrieg und der Vertreibung der Deutschen aus Eger wurde die Firma enteignet und verstaatlicht und produzierte weiterhin Fahrräder, und verlor mit den folgenden Jahren ihre Wettbewerbsfähigkeit. In den 90er-Jahren ging die Firma bankrott und heute ist aus dem damals riesigen Gebäude nichts übriggeblieben.
Nach der Mittagspause wurde ein neues Projekt vorgestellt: Harald von Herget aus Starnberg präsentierte „Den Böhmische Rundfunk – das Internetradio Böhmen.“ Von Herget erklärte die Webseite und die Wichtigkeit von einem Internetradio und der Beiträge aus den Reihen der Sudetendeutschen.
Neuseeland zu Besuch…
Nach der Vorstellung des Internetradios wurde es hochinteressant: Die Referenten Roger Buckton aus Neuseeland und Ralf Heimrath aus Regensburg stellten das Buch „Lieder und Tänze aus Puhoi“ vor. Im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts verließen mehrere Familien aus dem Egerland um Staab ihre Heimat, um in Puhoi/Neuseeland auf der „anderen Seite der Erde“ ein neues Leben zu beginnen. Wahrscheinlich war es vor allem die Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen, welche diese Menschen damals zu einer freiwilligen Emigration veranlasste. Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Böhmen waren um das Jahr 1860 alles andere als günstig. Viele Menschen lebten in relativer Armut. Der Wunsch noch einmal ganz von vorne anfangen zu können und sicher auch eine gehörige Portion Abenteuerlust waren mit ausschlaggebend für die Entscheidung zu einer Emigration. Am 26.2.1863 verließen 83 „Ausreisewillige“ das Egerland und machten sich auf den beschwerlichen Weg nach Neuseeland. Über Prag reisten sie mit der Eisenbahn nach Hamburg und segelten von dort nach Gravesend in England. Hier begann eine 106 Tage dauernde Schiffspassage nach Neuseeland, deren beschwerliche Umstände heute kaum mehr nachvollzogen werden können. Ein Egerländer starb während der Reise an den Folgen eines Unfalls bei einem schweren Sturm. Als die erste Gruppe der Immigranten schließlich Neuseeland erreichte, war es dort Winter. Mit einem Kutter wurden sie zur Mündung des Puhoi-Flusses (in der Maori- Sprache „Langsamer Fluss“) gebracht und von dort in Kanus der Einheimischen in ihr neues Siedlungsgebiet gerudert. Die Ankunft muss für alle Beteiligten ein Schock gewesen sein. Die ihnen zugeteilten „Wirtschaftsparzellen“ bestanden weitgehend aus dichtem Urwald. Lediglich zwei einfache „Nikau-Hütten“ nach Bauart der Maori dienten ihnen als erste Behausung. Im Jahre 2025 kamen also die Egerländer aus Puhoi nach Marktredwitz, um zu zeigen wie auch nach 165 Jahren das Egerländer Kulturgut lebendig ist.
In der Präsentation vom Roger Buckton, die vom Ralf Heimrath ins Deutsche übersetzt wurde, erwähnte Buckton Josef Paul, den ersten Dudelsackspieler in Neu Zealand etwa aus dem Jahre 1890. Aus 1909 hörte man die erste Tonaufnahme eines tschechischen Volksliedes. Nach dem Abendessen folgte ein ganz besonderes Konzert: die Egerländer Familienmusik Hess reiste aus Hirschhorn an. Neben der Familienmusik Hess wirkten noch mit: Die Gruppe aus Puhoi mit Roger Buckton, und Gerhard mit Andrea Ehrlich aus Reichenbach an der Fils und Michael Cwach, welcher in Südböhmen lebt und der Schüler vom Roger Buckton ist.
Heilig, heilig, heilig mit dem Dudelsack…
Sonntagmorgen startete die Begegnung mit der Heiligen Messe. Weil das der dritte Sonntag im Oktobar war, feiert man in ganz Bayern die „Kirwa.“ Monsignore Karl Wuchterl aus (Nedraschitz b. Kladrau), jetzt Edling, hielt eine lebendige und interaktive Predigt. Zum Schluss zitierte er den P. Charles de Foucauld: „Es ist unsere Liebe, es sind unsere Herzen, die Gott braucht, nicht große Gebäude; manchmal werden sie gebraucht, aber nur manchmal. Was immer, immer gebraucht wird, ist Liebe, Liebe, die Liebe unseres Herzens. Ich möchte so gut sein, dass die Leute sagen: ´Wenn so der Diener ist, wie ist dann erst der Meister?“ Die heilige Messe wurde durch Ingrid Deistler, Andrea und Gerhard Ehrlich begleitet. Nach dem Gottesdienst folgte die Führung durch die Sonderausstellung im Egerland Museum: „Otfried Preußler: Ein bisschen Magie bin ich schon…“ Durch die Ausstellung führte mit viel Fachwissen Robert Grötschl. Den letzten Vortrag am Sonntagvormittag hielte Alexander Friedl, stellvertretende Vürstäiha(r und Kulturwart im Landesverband Baden-Württemberg im „Bund der Eghalanda Gmoin e. V. – Bund der Egerländer:“ „Balthasar Neumann – Baumeister des Barock und Rokoko aus Eger.“ Balthasar- Neumann war auch auf dem 50 DM – Schein. Johann Balthasar Neumann wurde am 27. Januar 1687 im böhmischen Eger als siebtes von neun Kindern des Tuchmachers Hans Christoph Neumann († 1713) und dessen Frau Rosina Grassold geboren und am 30. Januar 1687 in der Kirche St. Nikolaus getauft. Am Geburtshaus in der Schiffgasse/Smetanova 12 befand sich eine Gedenktafel: „In diesem Hause wurde Balthasar Neumann, Hof-Architekt u. Obrist, Erbauer des Würzburger Schlosses und vieler Kirchen, am 30. Jänner 1687 geboren“. 1962 wurde das Geburtshaus abgerissen und durch einen Plattenbau mit der Anschrift Kasernplatz/Kasární námĕstí 8 ersetzt. 2001 wurde am nahegelegenen Balthasar-Neumann-Platz/námĕstí Baltazara Neumanna eine neue Gedenktafel mit der irreführenden Inschrift „Hier stand das Haus, in dem der Barock-Baumeister Balthasar Neumann am 27. Januar 1687 geboren wurde“ enthüllt. Seine erste Lehrzeit verbrachte er bei seinem Paten, dem Glocken- und Metallgießer Balthasar Platzer in Eger. Seit 1711 ist er in der Gießerei von Ignaz Kopp in Würzburg belegt, wo er noch den Lehrbrief der „Büchsenmeister, Ernst- und Lustfeuerwerkerey“ erwarb. Balthasar Neumann erfand 1713 das „Instrumentum Architecturae (Proportionalzirkel)“, welches zum Konstruieren von Säulen gebraucht wurde. Zu seinen Hauptwerken gehören unter den Sakralbauten die Schönbornkapelle Würzburg, die Klosterkirche Münsterschwarzach, die Wallfahrtskirche Gößweinstein, die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen und die Klosterkirche Neresheim; unter den Profanbauten die Residenz Würzburg, das Schloss Bruchsal, das Schloss Werneck, das Schloss Augustusburg und das Schloss Schönbornslust. Die Residenz Würzburg und das Schloss Augustusburg wurden 1981 bzw. 1984 in die UNESCO-Welterbeliste eingeschrieben. Die Stadt Eger gewährte ihm zwei Darlehen, welche später ordnungsgemäß zurückgezahlt wurden.
Nach dem Balthasar-Neumann widmete sich Friedl auch dem Thema Barock, als solchem. Zum Schluss der Tagung ließ Vorsitzender Oswin Dotzauer noch die zwei Tage Revue passieren und fasste dieses sehr erfolgreiche Begegnung in ein paar Sätzen zusammen. Nach dem Mittagessen verließen die Teilnehmer wieder den großen Versammlungsraum des Egerland Kulturhauses und fuhren nach Hause. Was für ein Wochenende!